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Die EU-Wissenschaftsministerien haben sich auf ihrer heutigen Sitzung in Brüssel unter dem Titel “Council conclusions on high-quality, transparent, open, trustworthy and equitable scholarly publishing” (PDF der englischen Version, PDF der deutschen Version) mit den aktuellen Herausforderungen des wissenschaftlichen Publikationswesens befasst.
\n\n\n\nBereits im Vorfeld der Sitzung der Wissenschaftsministerien wurden verschiedene Versionen der Erklärung öffentlich diskutiert (siehe z.B. Science Business und Times Higher Education). Im Kern stand die Frage, inwiefern das EU-Papier den Fokus auf Finanzierungs- und Geschäftsmodelle abseits von Publikationsgebühren (Article Processing Charges, APCs) legt und ob sogar eine Abkehr von der Unterstützung dieses Modells durch die öffentliche Hand in Europa betont wird.
\n\n\n\nSchweden hatte das Thema im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft augegriffen und bereits im Februar in einem Hintergrund-Papier adressiert. Schon in diesem Briefing Paper wurde die Problematik steigender Preise für die wissenschaftlichen Fachinformation betont.
\n\n\n\nIn der jetzt verabschiedeten Version der Schlussfolgerungen die Forderung nach sofortigem Open Access für wissenschaftliche Publikationen, die im Rahmen der öffentlich geförderten Forschung entstehen, nochmals betont. Dieses Ziel wurde bereits 2016 von den EU-Wissenschaftsministerien erhoben. Die Wissenschaftsminister:innen hatten damals einen Open-Access-Anteil von 100 % bis 2020 gefordert. Dieser Wert wurde bisher jedoch nicht erreicht. In Deutschland liegt der Open-Access-Anteil zum Beispiel bei 63 Prozent, während die Niederlande im Publikationsjahr 2021 einen Anteil von 82 Prozent erreichten.
\n\n\nAngesichts steigender Abonnementkosten und ähnlicher Entwicklungen im Bereich der Publikationsgebühren für Open Access und hybride Optionen betont das EU-Papier das Potenzial von Geschäfts- und Finanzierungsmodellen, die weder die Leser:innen noch die Autor:innen finanziell belasten und sich durch angemessene und transparente Preise auszeichnen (Punkt 6). Es wird beklagt, dass die steigenden Preise für wissenschaftliche Fachinformationen zu Ungleichheiten führen und die öffentliche Hand in Europa zum Nachteil der Forschung belasten (Punkt 5).
\n\n\n\nAufgrund dieser Kritik am kommerziellen Verlagswesen wird in zwei bemerkenswerten Punkten (6 und 7) die Bedeutung von nicht gewinnorientierten Open-Access-Modellen betont. Wortlaut:
\n\n\n\n“The Council of the European Union […] highlights the importance of not-for-profit, scholarly open access publishing models that do not charge fees to authors or readers and where authors can publish their work without funding/institutional eligibility criteria; notes the variety of models that do not depend on article processing charges or similar per-unit charges and stresses the importance of supporting the development of such models led by public research organisations; […] stresses that it is essential to avoid situations where researchers are limited in their choice of publication channels due to financial capacities rather than quality criteria, and where access to research publications is restricted by paywalls”
\n\n\n\nZwar sind diese Unterstreichung und Betonung sicherlich nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Gestaltung eines pluralistischen, transparenten und nachhaltigen Systems der digtialen Wissenschaftskommunikation. Sie kommen jedoch zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kritik an dem Modell der Publikationsgebühren wächst.
\n\n\n\nErst kürzlich hat die Ivy Plus Libraries Confederation (IPLC) in den USA, als Zusammenschluss von Bibliotheken forschungsstarker Einrichtungen, das APC-Modell deutlich kritisiert. Die Bibliothekar:innen sehen die Gefahr, dass Publikationsgebühren Ungleichheit fördern und Forschende aus finanziell weniger gut ausgestatteten Regionen beim Open-Access-Publizieren benachteiligt werden. Sie charakterisieren APCs als eine Hürde bei der Publikation.
\n\n\n\nAuch hat der öffentlichkeitswirksame Rücktritt des Editorial Boards der Elsevier-Zeitschrift NeuroImage aufgrund steigender APCs den kritischen Blick auf das Geschäftsmodell gelenkt. Die zurückgetretenen Herausgebenden haben nun bei MIT Press ein neues Journal gegründet, das niedrige APCs erhebt. Dieser Schritt zeigt, dass nicht APCs das Problem sein müssen, sondern vielmehr deren Preisgestaltung.
\n\n\n\nUm die im obrigen Zitat formulierten Anliegen der EU-Staaten zu adressieren, soll die Koordinierung innerhalb der EU und mit globalen Partnern zur Unterstützung von Chancengleichheit im wissenschaftlichen Publizieren gefördert werden (Absatz 7). Hierzu sollen auch abgestimmte Finanzierungsstrategien entwickelt werden, um die Anzahl von not-for-profit open access multi-format scholarly publishing models in Europe with no costs for authors or readers“ signifikant zu erhöhen (Absatz 11).
\n\n\n\nAuch soll das Anliegen durch eine mögliche Beteiligung der EU-Mitgliedstaaten an Open Research Europe (ORE), der von der EU-Kommission finanzierten Publikationsplattform für Autor:innen aus den EU-Rahmenprogrammen, vorangetrieben werden (Absatz 15).
\n\n\n\nIn der Pressemitteilung werden weitere Themen der verabschiedeten Schlussfolgerungen augegriffen:
\n\n\n\n“Some Member States have introduced secondary publication rights into their national copyright legislation, enabling open access to scholarly publications which involve public funds. The Council encourages national open access policies and guidelines to make scholarly publications immediately openly accessible under open licences. The conclusions acknowledge positive developments in terms of monitoring progress, like within the framework of the European Open Science Cloud (EOSC), and suggest including open science monitoring in the European Research Area monitoring mechanism.”
\n\n\n\nDie Schlussfolgerungen können zweifellos als Stärkung des wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizierens in akademischer Trägerschaft interpretiert werden. Der eingeschlagene Kurs ist zu begrüßen. Um die bereits vielfältigen Open-Access-Publikationsangebote und -Verlage, die von wissenschaftlichen Einrichtungen betrieben oder gemeinsam (mit angemessenen und ohne APCs) finanziert werden, nachhaltig zu stärken, ist es erforderlich, kooperative Finanzierungsmodelle auf internationaler Ebene zu entwickeln und umzusetzen. Dafür sind, wie das Papier richtig betont, abgestimmte Förderaktivitäten erforderlich, die beispielsweise in Deutschland, komplementär zu DEAL, dem wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizieren einen deutlichen Aufschwung geben.
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