--- http_interactions: - request: method: get uri: https://rogue-scholar.org/api/blogs/468ap65 body: encoding: UTF-8 string: '' headers: Connection: - close Host: - rogue-scholar.org User-Agent: - http.rb/5.1.1 response: status: code: 200 message: OK headers: Age: - '0' Cache-Control: - public, max-age=0, must-revalidate Content-Length: - '100292' Content-Type: - application/json; charset=utf-8 Date: - Mon, 05 Jun 2023 08:36:48 GMT Etag: - '"une8q2jt5i24lq"' Server: - Vercel Strict-Transport-Security: - max-age=63072000 X-Matched-Path: - "/api/blogs/[slug]" X-Vercel-Cache: - MISS X-Vercel-Id: - fra1::iad1::j5g4w-1685954207491-ac4348931520 Connection: - close body: encoding: UTF-8 string: '{"id":"468ap65","title":"Behind the Science","description":"Ein Blog aus dem Admin-Bereich der Wissenschaft.","language":"de","icon":null,"favicon":null,"feed_url":"https://ulirockenbauch.blog/feed/atom/","feed_format":"application/atom+xml","home_page_url":"https://ulirockenbauch.blog/","indexed_at":"2023-04-21","license":"https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode","generator":"WordPress","category":"Social Sciences","items":[{"id":"https://ulirockenbauch.blog/2022/08/29/strategie-mythen/","uuid":"84651758-f820-4e18-ae5f-4483ff4f4e92","url":"https://ulirockenbauch.blog/2022/08/29/strategie-mythen/","title":"„Müller, wir brauchen mal ’ne Strategie!“","summary":"Kein Begriff wird im Wissenschaftsmanagement so breitgetreten wie das Wort „Strategie“. Jede Institution hat eine Strategie für irgendwas. Täglich werden neue Papiere aufgestellt. Dabei ist es durchaus...","date_published":"2022-08-29T19:03:40Z","date_modified":"2022-08-29T19:03:40Z","authors":[{"url":null,"name":"Uli Rockenbauch"}],"image":null,"content_html":"\n

Kein Begriff wird im Wissenschaftsmanagement so breitgetreten wie das Wort „Strategie“. Jede Institution hat eine Strategie für irgendwas. Täglich werden neue Papiere aufgestellt. Dabei ist es durchaus sinnvoll, sich Strategien zu überlegen – es kursiert nur leider auch viel Quatsch zu diesem Thema. Hier eine Zusammenstellung der fünf populärsten Mythen:

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Mythos 1: „Strategisch“ ist das Gegenteil von „operativ“.

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Vor ein paar Jahren nahm ich auf der Jahrestagung des Netzwerks Wissenschaftsmanagement an einem Workshop teil. „Wir sortieren uns jetzt mal im Raum“, rief die Moderatorin eifrig. „Alle, die eher operativ arbeiten, gehen mal in die linke Ecke, und alle, die eher strategisch arbeiten, in die rechte!“ Ich machte zwar brav mit, aber es wurde relativ schnell klar, dass die beiden Begriffe eigentlich keine Gegenpole sind.

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Wörtlich heißt „operativ“ ja nur „handelnd“. Die Personalabteilung handelt, indem sie Leute einstellt, die Pressestelle schreibt Pressemitteilungen, die Bauabteilung überwacht die Baustellen, usw… Gegenfrage: Gibt es auch Abteilungen, die nicht operativ tätig sind, also nicht selbst handeln? Man könnte jetzt sagen: Ja, nämlich die oberste Leitungsebene, weil sie hinter ihrem Schreibtisch sitzt und Anweisungen gibt. Aber das stimmt natürlich nur bedingt, denn auch ein Universitätskanzler priorisiert schließlich Bauvorhaben, genehmigt Entfristungen, verhandelt mit dem Finanzamt, usw… „Handeln“ tut hier also jeder.

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Was aus dieser Logik vielleicht tatsächlich herausfällt, sind spezielle Strategieabteilungen – häufig Stabsstellen -, deren Aufgabe ausschließlich darin besteht, Konzepte für die Leitung zu schreiben. Wenn sie gegenüber anderen Verwaltungseinheiten weder weisungsbefugt sind noch ein eigenes Tagesgeschäft haben, kann man zu Recht sagen: Diese Abteilungen sind nicht operativ tätig, sondern rein konzeptionell.

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Mythos 2: Eine Strategie beinhaltet strategische Ziele.

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Ohne zum Korinthenkacker zu werden: Ziele und Strategien sind zwei verschiedene Dinge. Ein Ziel ist etwas, das man erreichen will. Eine Strategie wiederum ist ein Bündel von Maßnahmen, um das Ziel zu erreichen. Was hingegen ein „strategisches Ziel“ sein soll, weiß ich wirklich nicht. (Gibt es denn auch Ziele, die nicht strategisch sind?)

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Anders bei der Henne und dem Ei ist hier die Reihenfolge übrigens genau festgelegt: Zuerst kommt das Ziel, und erst dann die Strategie. Andernfalls haben Sie eine Menge Geld ausgegeben und wissen am Ende nicht mal, ob Sie mit Ihren Maßnahmen erfolgreich waren. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann allerdings auf zwei beliebten Varianten der Strategiebildung zurückgreifen:

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Mythos 3: Das Adjektiv „strategisch“ zeigt an, dass etwas auf Leitungsebene behandelt wird.

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Das ist nicht richtig, und es wäre auch unfair gegenüber den Fachabteilungen. Strategisch zu arbeiten bedeutet ja nur, dass man seine Entscheidungen und Maßnahmen auf ein konkretes Ziel ausrichtet. (Im besten Fall trifft das auf alles zu, was eine Institution während der Bürozeiten tut.) Die Finanzabteilung kann das Ziel verfolgen, SB-Mittel abzubauen; die Drittmittelabteilung will den Wissenschaftler*innen zu mehr ERC Grants zu verhelfen, usw… Dabei ist es unerheblich, ob an der Tür „Strategische Strategieabteilung“ steht oder schlicht „Verwaltung“.

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Das Adjektiv wird allerdings gerne benutzt, um Dinge sprachlich aufzuwerten. Aus „Personalmanagement“ wird dann „strategisches Personalmanagement“, und die Kommunikationsabteilung betreibt auf einmal „strategische Kommunikation“. Das macht viel her, ist aber inhaltslos. Provokativ könnte man fragen: Was habt ihr denn vorher gemacht? Zielloses Personalmanagement und ziellose Kommunikation?

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Mythos 4: Jede Institution braucht eine Gesamtstrategie.

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Klingt erstmal gut. Aber warum eigentlich? An einer großen Institution gibt es schließlich ganz verschiedene Handlungsfelder: Forschung, IT, Personal, Finanzen… Kann man für diese Themen nicht jeweils separate Strategien festlegen, mit Zielen und Maßnahmen? Wenn man diese Frage in die Runde wirft, erhält man meistens Antworten voller schöner Buzzwords: „Das muss doch miteinander verzahnt werden.“ – „Mit einer Gesamtstrategie kann man noch Synergien heben.“ – usw…

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Der Hauptgrund, weshalb Gesamtstrategien so populär sind, ist aber ein anderer: Jede Institution hat hochrangige Gremien, denen solche Papiere vorgelegt werden müssen – und die Mitglieder dieser Gremien sind vielbeschäftigt. Wenn sie bei der Anreise im Flieger nur eine Stunde Zeit zur Vorbereitung haben, wollen sie nicht durch fünf Dokumente blättern, sondern nur durch ein einziges. Und es möge bitte kurz und knackig sein.

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Mythos 5: Am weitesten kommt man mit einer eigenen Strategieabteilung.

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Politisch macht es natürlich Eindruck, wenn man eine solche Abteilung vorweisen kann. Auf kurze Sicht lautet die Rechnung: Je größer die Strategieabteilung, desto besser und effektiver die Strategie der Hochschule. Diese Rechnung kann natürlich aufgehen, allerdings gibt es auch Gründe, die gegen die Einrichtung einer rein konzeptionell arbeitenden Strategieabteilung sprechen können:

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Häufig wird argumentiert: „Wir als Strategieabteilung schreiben doch niemandem etwas vor – wir führen nur die Stränge zusammen.“ Das ist natürlich legitim. Schaut man dann allerdings auf die Zahl der Mitarbeiter*innen, stellt sich die Frage: Braucht es für eine reine „Zusammenführung“ wirklich so viele Leute? Könnte das nicht eine gute Präsidiumsreferentin allein erledigen?

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Mein persönlicher Eindruck ist ja, dass der Begriff „Strategie“ ab 2005 einen sprunghaften Bedeutungszuwachs bekam, als sich plötzlich ganze Universitäten um Exzellenzcluster und Graduiertenkollegs bewerben mussten. Stabsstellen mit klangvollen Namen wie „Excellence and Strategy Division“ schossen aus dem Boden. Dort stellte man dann eine Vielzahl junger Hüpper ein, die häufig direkt aus der Promotion kamen und nun am laufenden Band Konzeptpapiere mit bunten Grafiken produzieren mussten. Insofern ist der Wildwuchs an Strategien vielleicht auch ein Nebenprodukt der Exzellenzinitiative.

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Pardon, ich verwende aus Gewohnheit manchmal noch den alten Begriff. Inzwischen heißt die Exzellenzinitiative natürlich nicht mehr Exzellenzinitiative. Sondern Exzellenzstrategie.

\n","tags":["Allgemein"],"language":"de"},{"id":"https://ulirockenbauch.blog/2022/10/04/freiheit-finanzen-frauen/","uuid":"b96cd758-408a-4c48-96d7-cfdee5743b50","url":"https://ulirockenbauch.blog/2022/10/04/freiheit-finanzen-frauen/","title":"Freiheit und Finanzen vor Frauen?","summary":"Neulich erschien das Leopoldina-Papier „Frauen in der Wissenschaft„, mit einer Bestandsaufnahme zur Gleichstellung und einer Reihe von Empfehlungen. Eigentlich eine gute Sache, aber ich bekam beim Lesen...","date_published":"2022-10-04T19:07:35Z","date_modified":"2022-10-15T08:46:29Z","authors":[{"url":null,"name":"Uli Rockenbauch"}],"image":null,"content_html":"\n

Neulich erschien das Leopoldina-Papier „Frauen in der Wissenschaft„, mit einer Bestandsaufnahme zur Gleichstellung und einer Reihe von Empfehlungen. Eigentlich eine gute Sache, aber ich bekam beim Lesen trotzdem schlechte Laune. Erst nach einer Weile wurde mir klar, was mich so ärgerte: Auch die Leopoldina-Stellungnahme wird nichts verändern. Sie bestätigt zwar die alte Erwartungshaltung, dass sich bei den Karrierechancen von Frauen mehr bewegen muss – aber wissenschaftliche Institutionen können sich bei dem Thema problemlos wegducken, ohne dass sie Konsequenzen fürchten müssen. Egal, ob es um die Zahlung gleicher Gehälter geht, um paritätische Besetzung von Gremien oder familienfreundliche Arbeitszeiten: Wer sich bewegen will, tut es jetzt schon. Und wer sich nicht bewegen will, kommt damit durch. Leopoldina hin oder her.

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Zurückgefragt: Könnte die Politik denn stärker eingreifen? Könnte sie ihre Möglichkeiten ausspielen, um schnellere Veränderungen herbeizuführen? Ja, könnte sie. Denn jede Institution, jede Organisation hat politisch besetzte Gremien, die über sie Aufsicht führen:

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Warum greifen diese Gremien also nicht stärker in die Gleichstellungspolitik der Wissenschaft ein? Weshalb nehmen sie ihre Aufsichtsfunktion so wenig wahr? Dafür gibt es nicht einen, sondern gleich mehrere Gründe:

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Erstens: Die Tradition der Wissenschaftsfreiheit. Genauer gesagt, ist sie ja nicht nur eine Tradition; die Freiheit von Forschung und Lehre ist im Grundgesetz festgeschrieben. Aber die Haltung, dass die Wissenschaft sich am besten selbst steuert, durchdringt auch ganz andere Bereiche jenseits von Forschung und Lehre. Sobald daher Ministerien oder Bund-Länder-Gremien versuchen, stärkeren Einfluss auf die wissenschaftlichen Institutionen zu nehmen, stoßen sie auf erbitterten Widerstand – und kapitulieren am Ende häufig, weil das Schlagwort „Wissenschaftsfreiheit“ (unausgesprochen) über allem schwebt.

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Der zweite Grund betrifft ganz konkret die Bund-Länder-Kommissionen (s.o.): Anders als die Aufsichtsräte, haben sie laut Satzung meist nur sehr begrenzte Befugnisse. Das hat stellenweise auch seine Berechtigung: Die Politik hat immer ein Interesse, nach der aktuellen Agenda zu steuern, und die ändert sich… na ja, sagen wir: nicht täglich, aber zumindest jedes Jahr. In einem so schnellen Takt lässt sich aber keine Forschungsorganisation umsteuern. Es hat schlichtweg keinen Sinn, die Wissenschaft im Jahr 2020 zu mehr Transfer zu verpflichten, 2021 zur Pandemiebekämpfung und 2022 zur Kooperation mit der Ukraine. Solche wechselnden Schwerpunkte enden entweder in einem wilden Verschieben von Geldern und Personen, oder sie bleiben auf oberflächliche Strategiepapiere beschränkt. Insofern sind die begrenzten Befugnisse dieser Kommissionen einerseits ein wichtiger Schutzschild für die Wissenschaft. Andererseits sind sie bei Dauer-Baustellen wie der Gleichstellung ein echtes Problem.

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Dritter Grund: Die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien führt eher zu einer abwartenden Haltung. Nehmen wir – wirklich nur zur Anschauung, als willkürlich gewähltes Beispiel – das Kuratorium des DIfE in Postdam. Darin sitzen aktuell:

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Hier sind also schon drei verschiedene Ministerien vertreten. Bei komplexeren Einrichtungen wie dem Hamburger DESY sind es durchaus auch mal sieben.

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Im Idealfall würden sich diese politischen Vertreter*innen vor einer Sitzung gut abstimmen. Sie würden bestimmte Tagesordnungspunkte auf die Agenda setzen lassen, sich vorher Kennzahlen des Instituts schicken lassen, Schwachstellen herausarbeiten und dann mit Fragen und Forderungen bewaffnet in die Sitzung gehen.

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In der Realität dürfte das aber sehr aufwendig werden. Ministerien müssen sich immer einer enormen Fülle an parallelen Themen widmen, d.h. oft genug bleibt keine Zeit zur Abstimmung untereinander. Und sobald Ministerien untereinander nicht abgestimmt sind, werden sie vorsichtig: Man kennt die Haltung der anderen Landesregierung nicht genau. Man ist selber im Thema nicht so tief drin und will sich nicht blamieren. Man will nicht zum Ärger der anderen Teilnehmer die Agenda sprengen, usw… Dadurch herrscht die Haltung vor: „Ich lass das mal auf mich zukommen. Fragen ergeben sich ja bestimmt in der Sitzung.“

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Auf diese Weise können Missstände unentdeckt bleiben. Zudem nutzen Aufsichtsgremien gerne zwei Instrumente, die es ihnen erlauben, sanften Druck auszuüben, ohne stark einzugreifen:

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Beides sind – mit Verlaub – eher zahnlose Instrumente. Denn der wissenschaftliche Beirat wird immer auf der Seite der Wissenschaftler*innen stehen und im Zweifelsfall sagen: „Alles auf dem richtigen Weg.“ Und nur weil eine Strategie vorgelegt wird, heißt das noch lange nicht, dass sie ambitioniert ist und alle Möglichkeiten ausschöpft. (Was Strategien genau bringen, und wie man sehr uneffektive Strategien aufstellen kann, darüber habe ich schon an anderer Stelle geschrieben.)

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Steuerungsmöglichkeiten gibt es übrigens auch auf höherer politischer Ebene: Als die außeruniversitären Organisationen nach 2012 eine steigende Summe an Selbstbewirtschaftungsmitteln aufbauten (was zwar gesetzlich völlig im Rahmen war, aber dem Rechnungshof nicht gefiel), griff der Haushaltsausschuss im Bundestag durch: 2018 verordnete er eine 25%-Sperre auf die Betriebsmittel der Helmholtz-Gemeinschaft. Das war damals ein echtes Erdbeben in der Wissenschaftslandschaft. Die Sperre hat seitdem zu heftigen Mittelverlusten, einigen Nebenwirkungen und viel Verärgerung geführt – aber sie hat auch ein Umdenken bewirkt. Seit 2018 ist klar: Wenn bis Herbst nicht drei Viertel der Mittel verbraucht sind, wird das restliche Viertel gestrichen. Das wirkt!

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Das Erschreckende an diesem Vergleich ist: Die Anhäufung von SB-Mitteln (also kein Missbrauch von Geldern, nur schlechte Haushaltsdisziplin) hat ausgereicht, um eine heftige politische Reaktion zu erzeugen. Aber beim Thema „Frauen in der Wissenschaft“, das seit Jahrzehnten in Schieflage hängt, gilt weiterhin das Prinzip der Freiwilligkeit. Liebe Ministerien, lieber Bundestag – warum eigentlich? Sind das also Eure Prioritäten? Haushaltsdisziplin vor Gleichstellung?

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Um Veränderungen auch gegen Widerstände durchzusetzen, müsste die Politik also zunächst lernen, härter nachzufragen. Abgestimmter. Besser informiert. Und gleichzeitig darf sie keine Angst haben, die Hebel zu nutzen, die ihr gegeben sind: Verpflichtung zu Anti-Bias-Trainings, Quotierungen, oder auch mal eine Politik der leeren Stühle, wenn wieder keine geeignete Frau gefunden wurde. Ja, in vieler Hinsicht sollte die Wissenschaft ihre Arbeit selbst steuern. Das ist auch richtig so. Aber es gibt Themen, die man ihr nicht alleine überlassen kann.

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Seit über zwei Jahren streiten sich die EU und das Vereinigte Königreich (UK) über die Anbindung der Briten an das europäische Forschungsrahmenprogramm, Horizon Europe. Beide Seiten beschuldigen sich, Verträge im Zusammenhang mit dem Brexit nicht einzuhalten: Die EU fordert vom UK die Umsetzung des sogenannten Nordirland-Protokolls, das wiederum ein Teil eines größeren Handels- und Kooperationsabkommens ist. Und dessen restliche Einhaltung fordert wiederum das UK. Bisher bewegt sich… nichts. Für die Wissenschaftler*innen, die an einer britischen Uni forschen, heißt das: Was sie an Horizon-Europe-Geldern eingeworben haben, ist erst einmal verloren. Da das Vereinigte Königreich nicht mehr an das Rahmenprogramm angebunden ist, hat die EU konsequenterweise die Zuwendung für 115 ERC Grantees zurückgezogen. Für die Wissenschaft ist das bitter.

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Als ich mich mit dieser Materie beschäftigte, erinnerte mich das alles frappierend an eine ähnliche Situation vor acht Jahren: Damals war es die Schweiz, die es sich mit der EU verdarb – zumindest vorübergehend. Denn irgendwie schafften es die Schweizer, ihre Wissenschaft relativ schnell und geräuschlos wieder an die EU anzubinden. Ihre viel gerühmten diplomatischen Künste waren offenbar keine Übertreibung.

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Was war geschehen?

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Im Februar 2014 beschloss die Schweiz in einer nationalen Abstimmung verschärfte Regeln für die Zuwanderung von Ausländern. Da ich selbst ja einige Jahre in Basel gearbeitet habe, überraschte mich das nicht: Rechtskonservative Parteien waren schon länger relativ stark gewesen. Als ich 2007 in der Schweiz ankam, lief zum Beispiel gerade eine Kampagne der SVP gegen „kriminelle Ausländer“. In der Zeitung konnte man damals solche Anzeigen entdecken:

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In unserem Institut nahmen wir das damals relativ entspannt, denn erstens waren wir als forschende Akademiker natürlich von jeglichem Verdacht erhaben, „kriminelle Ausländer“ zu sein. Zweitens, und das möchte ich wirklich betonen, ticken die Basler noch einmal ein ganzes Stück liberaler. Man lebt im Dreiländereck, also wimmelt es von Deutschen und Franzosen. Ich persönlich habe mich dort immer willkommen gefühlt.

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Zurück zu besagter Volksabstimmung von 2014, die mit hauchdünner Mehrheit angenommen wurde – sie warf ein Problem auf: Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Europa wurde dadurch eingeschränkt. Die Schweiz war aber über die so genannten „Bilateralen Verträge I“ eng an den europäischen Arbeitsmarkt angebunden worden und hatte sich unter anderem zu Arbeitnehmerfreizügigkeit verpflichtet. Dieses Abkommen war jetzt hinfällig.

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Aber die EU war vorsichtig gewesen. Um ein politisches Rosinenpicken zu verhindern, hatte man einige Jahre zuvor sieben Verträge parallel ausgehandelt, die verschiedene Dinge regelten und unterm Strich für beide Seiten fair waren: Handelsabkommen, Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt, wissenschaftliche Anbindung und Ähnliches. Der Kniff daran war: Genau wie beim britischen Handels- und Kooperationsabkommen war all dies nur im Paket gültig. Jeder der sieben Verträge war mit einer sog. „Guillotine-Klausel“ ausgestattet – ja, die hieß wirklich so und besagte im Kern: Die Schweiz bekam nur das Gesamtpaket. Oder eben gar nichts davon.

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Die Guillotine fiel also, die EU setzte alle sieben Verträge aus, und die Schweiz verlor ihren Status als „assoziiertes Land“ im Forschungsrahmenprogramm (damals noch Horizon 2020). Bewerbungen aus der Schweiz waren plötzlich nicht möglich, was vor allem bei prestigeträchtigen Förderungen wie dem ERC schmerzhaft war.

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Damals traten zahlreiche Forscher auf die öffentliche Bühne und forderten, die Wissenschaft nicht zum Spielball von politischen Hakeleien zu machen. Diese Kampagne war tatsächlich erfolgreich: Zum Wohle der Wissenschaft gab die EU letztendlich ihr Druckmittel auf, und man einigte sich auf ein bilaterales Abkommen für eine Teilassoziierung der Schweiz an Horizon2020. Ich ärgerte mich damals, weil dieser Schritt zwar gut gemeint, aber ein Rückschlag für die europäischen Werte war. Und noch eine Sache war bemerkenswert: Die „Teilassoziierung“ galt nur für den prestigeträchtigsten Teil des Programms, nämlich ERC Grants und Marie-Sklodowska-Curie-Fellowships. Das neue, bilaterale Abkommen war sozusagen die offizielle Lizenz zum Rosinenpicken.

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Weshalb gelingt dasselbe Kunststück heute nicht dem Vereinigten Königreich?
Es kann zumindest nicht daran liegen, dass die Wissenschaft zu leise ist oder sich zu wenig zu Wort meldet. Die HRK hat zum Beispiel schon zu Beginn der Querelen eine politische Lösung für die Anbindung der Briten gefordert. Im Vergleich zu anderen Themengebieten ist die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit allerdings nicht aufsehenerregend genug.

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Profitieren die anderen europäischen Länder denn, wenn die britischen Unis aus Horizon Europe aussteigen? Im Sinne von: Wir haben weniger Konkurrenz, und dadurch bleibt mehr Geld für uns übrig? Auch das kann man klar ausschließen, denn das UK geht dem Programm auch als Einzahler verloren, nicht nur als Nutznießer. Unterm Strich und langfristig gleichen sich die Zahlungen also mehr oder weniger aus.

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Was auch immer die britische Regierung seit dem Brexit falsch gemacht hat, es scheint also an klassischem diplomatischem Geschick zu hängen. Vielleicht hatte sie im Vergleich zur Schweiz auch einfach eine schwierige Ausgangslage: Als ich versucht habe, das Nordirland-Protokoll und seine Hintergründe zu verstehen, musste ich Dinge nachlesen wie das Karfreitagsabkommen von 1998. Lauter Themen, die mit Wissenschaft wirklich nicht mehr viel zu tun haben. So viel historischer Ballast macht vermutlich jede Verhandlung kompliziert und sperrig.

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Ob die Assoziierung an Horizon Europe noch gelingt, wird jetzt wohl davon abhängen, ob das Vereinigte Königreich sich in Sachen Diplomatie noch etwas von der Schweiz abgucken kann. Und ob es seine eigenen politischen Turbulenzen in den Griff bekommt. Es wartet eine schwierige Aufgabe auf Boris Johnson

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Liz Truss

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Rishi Sunak.

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Mit einem besonderen Dank an Jens Jäger vom Helmholtz-Büro Brüssel, für erhellende Hintergrundinformationen und seine fachliche Einschätzung.

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\n","tags":["Allgemein"],"language":"de"},{"id":"https://ulirockenbauch.blog/2023/04/13/behind-the-science-pausiert/","uuid":"3eec02a9-78b9-4609-a533-40b36c331e73","url":"https://ulirockenbauch.blog/2023/04/13/behind-the-science-pausiert/","title":"„Behind the Science“ pausiert","summary":"Liebe Leserinnen und Leser,  vor einigen Wochen hat sich für mich eine berufliche Möglichkeit aufgetan, die – insbesondere für einen Quereinsteiger aus der Wissenschaft – beinahe einmalig war: Mit großer...","date_published":"2023-04-13T17:48:41Z","date_modified":"2023-04-13T17:48:41Z","authors":[{"url":null,"name":"Uli Rockenbauch"}],"image":null,"content_html":"\n

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Liebe Leserinnen und Leser, 

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vor einigen Wochen hat sich für mich eine berufliche Möglichkeit aufgetan, die – insbesondere für einen Quereinsteiger aus der Wissenschaft – beinahe einmalig war: Mit großer Freude darf ich sagen, dass ich jetzt für den Forschungsverbund Berlin die Verwaltung am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung leite. 

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So dankbar ich für diese Chance bin, so deutlich ist jetzt eine Konsequenz geworden: Es bleibt mir neben dem Beruf und dem Familienleben kaum noch Zeit zum Schreiben. Das bedaure ich sehr, denn in der Wissenschaftslandschaft passiert zur Zeit eine Menge. Die wachsende Leserschaft und die persönlichen Rückmeldungen auf manche Artikel waren außerdem ermutigend und eine tolle Erfahrung.

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Aber: Ein guter Artikel kostet viel Zeit.

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Hintergrundrecherche, Textentwurf, Feinarbeit, Bildmaterial… In Summe braucht ein qualitativ hochwertiger Beitrag etwa einen Tag Arbeit, und inzwischen muss ich mir eingestehen, dass mir diese Zeit jetzt schlichtweg fehlt. Meinem Anspruch, komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen und dadurch Denkanstöße zu geben, kann ich momentan nicht gerecht werden, daher habe ich entschieden, „Behind the Science“ vorerst ruhen zu lassen. Und mit etwas Glück lässt sich das Projekt irgendwann in der Zukunft auch wieder neu beleben – darauf freue ich mich schon. 

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Herzlichen Dank an alle meine Leserinnen und Leser!

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Uli Rockenbauch

\n","tags":["Allgemein"],"language":"de"},{"id":"https://ulirockenbauch.blog/2022/09/25/forschungsgelder-next-level/","uuid":"a1910ac7-827a-450f-b099-f260da6af46b","url":"https://ulirockenbauch.blog/2022/09/25/forschungsgelder-next-level/","title":"Forschungsgelder, next Level","summary":"Sie denken, Sie kennen jedes Förderprogramm? Sie haben schon jede Menge Grants eingeworben und glauben, jetzt sind Sie Drittmittelkönig*in? Von wegen. Jenseits von Sachbeihilfen und ERC gibt’s noch ganz...","date_published":"2022-09-25T18:30:35Z","date_modified":"2022-09-25T18:30:35Z","authors":[{"url":null,"name":"Uli Rockenbauch"}],"image":null,"content_html":"\n

Sie denken, Sie kennen jedes Förderprogramm? Sie haben schon jede Menge Grants eingeworben und glauben, jetzt sind Sie Drittmittelkönig*in? Von wegen. Jenseits von Sachbeihilfen und ERC gibt’s noch ganz andere Möglichkeiten. Die abgefahrensten von ihnen heißen nicht mal mehr Drittmittel. Ein Überblick über alle Levels des großen Fördermittel-Spiels:

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Level 1 – Die Projektförderung

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Die klassische Zuwendung kennen Sie: Sie haben eine Projektidee, schreiben einen Antrag und kriegen das Geld – von der DFG, dem ERC, der VolkswagenStiftung oder hunderten anderen Mittelgebern. Genauer gesagt, bekommt Ihre Hochschule oder Forschungseinrichtung die Gelder, und Sie dürfen sie ausgeben.

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Wo das Geld herkommt: Drittmittelgeber aller Art.

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Wie man da rankommt: Viele Anträge einreichen, bis endlich einer angenommen wird.

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Was man dafür mitbringen muss: Eine gute Projektidee, Talent beim Schreiben und etwas Hartnäckigkeit

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Vorteil: Quadratisch, praktisch, gut. Relativ einfach zu handhaben.

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Nachteil: Nach drei Jahren geht der Zirkus von vorne los.

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Level 2 – Das Verbundprojekt

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„If you want to go fast, go alone. If you want to go far, go together.“ Das gilt natürlich auch für die Wissenschaft.

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Wo das Geld herkommt: Größere Drittmittelgeber. Theoretisch können die Partner jeweils aus unterschiedlichen Quellen finanziert werden. Aber warum die Sache unnötig kompliziert machen?

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Wie man da rankommt: Partner suchen, Antrag einreichen, Daumen drücken.

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Was man dafür mitbringen muss: Kompromissbereitschaft und ein Auge für die richtigen Forschungspartner.

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Vorteil: Mehr Schlagkraft durch interdisziplinäre Zusammenarbeit.

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Nachteil: Nächtliche Zoom-Konferenzen mit Australien. Und ständiges Nachhaken, wenn ein Partner mit dem Projektbericht nicht aus dem Knick kommt.

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Level 3 – Das Netzwerk

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Vernetzung kommt nie aus der Mode. Wenn Sie Menschen zusammenbringen, ermöglichen Sie den fachlichen Austausch und die Generierung neuer Ideen. (Außerdem dürfen Sie als Initiator*in ganz vorne auf der Bühne stehen.) Im Hintergrund gibt es oft ein Sekretariat oder eine Koordinationsstelle, die das Ganze am Laufen hält.

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Wo das Geld herkommt: von der DFG, anderen Drittmittelgebern oder manchmal auch von wissenschaftlichen Einrichtungen.

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Wie man da rankommt: Einen flammenden Aufruf in der Community starten. Anschließend Fördermittel für ein neues Netzwerk beantragen.

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Was man dafür mitbringen muss: Ein Rampensau-Gen, damit man die große Bühne nicht scheut. Und die Fähigkeit, Leuten das Gefühl zu geben, dass sie wirklich was verpassen, wenn sie hier nicht mitmachen.

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Vorteil: Danach kennt einen jeder. Wirklich jeder.

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Nachteil: Forschung kann man darüber nicht finanzieren. Es ist eben nur ein Netzwerk.

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Level 4 – Upgrade für die eigene Institution

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Neue Infrastruktur ist ein anderes Kaliber als Forschungsprojekte: In der Anschaffung ist sie meist teuer und braucht zudem ein jährliches Budget für Reparaturen oder spezielles Personal. Dafür ist sie dauerhaft verfügbar und kann einer Institution einen echten Standortvorteil verschaffen.

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Wo das Geld herkommt: DFG, Landesministerien oder BMBF.

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Wie man da rankommt: Offizielle Antragswege gibt es in den Großgeräte-Programmen (über die DFG) und im „Programm Forschungsbauten“ (über den Wissenschaftsrat). Falls das nicht ausreicht, müssen Sie folgendes tun: Erstens, Präsident*in einer Uni oder Forschungseinrichtung werden. Zweitens, enge Kontakte zum zuständigen Ministerium knüpfen und dort, drittens, sehr glaubwürdig versichern, dass ohne einen neuen Fusionsreaktor oder ein größeres Bibliotheksgebäude die Welt untergeht.

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Was man dafür mitbringen muss: Wissenschaftliches Renommee und viel Überzeugungskraft.

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Vorteil: Wenn Ihnen das gelingt, haben Sie für alle Zeiten Held*innen-Status an Ihrer Institution.

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Nachteil: Kein Nachteil. Sie müssen sich nur mit geringen Erfolgschancen abfinden.

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Level 5 – Das virtuelle Forschungshaus

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In diesen Konstrukten kommen Forschung und Geld zusammen – allerdings ohne ein Gebäude drumherum. Die bekannteste Variante sind DFG-Sonderforschungsbereiche, die allerdings nach drei Förderperioden beendet werden. Ähnlich funktionierten früher die sog. „Virtuellen Institute“ der Helmholtz-Gemeinschaft, die mittlerweile wieder eingestellt wurden.

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In den letzten Jahrzehnten hat das BMBF mit dauerhaften Varianten dieser Verbünde experimentiert, z.B. mit den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung oder den Forschungscampi.

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Wo das Geld herkommt: DFG oder BMBF

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Wie man da rankommt:

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  1. Wenn man damit leben kann, dass nach 12 Jahren Schluss ist – tolle Forschung machen, gute Partner um sich scharen, SFB beantragen.
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  3. Wenn man was Dauerhaftes will: gute Partner um sich scharen, etwa zehn Jahre warten und sich dann im richtigen Moment auf die große BMBF-Ausschreibung bewerben.
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Was man dafür mitbringen muss: Einen Status als Platzhirsch und die Fähigkeit, die aktuellen Buzzwords der Zeitgeschichte geschickt im Antrag aufzugreifen.

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Vorteil: Ein Riesending. Sie sind plötzlich Hausherr*in einer völlig neuen Organisation.

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Nachteile:

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Erstens: Die Leute, die Sie um sich scharen, arbeiten weiterhin an ihrer Uni. Ihr schönes Konstrukt ist für viele von ihnen nur eine weitere Geldquelle.

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Zweitens: Sie können Ihren Freunden keine Führung durch „Ihr Haus“ geben. Es gibt ja keins.

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Level 6 – Ein eigenes Forschungshaus

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Wenn Sie das schaffen, dürfen Sie sich mit dem Saarländer CISPA oder dem DLR-Institut für Gasturbinen in eine Reihe stellen: Die Politik beschließt, dass es für genau Ihr Thema ein neues Forschungsinstitut braucht – mit Ihnen als Direktor*in. (Ihre Konkurrenz wird dadurch ziemlich brüskiert, aber das muss Sie dann nicht mehr kümmern.) Nach ein bis zwei Jahren Vorlauf haben Sie endlich den goldenen Schlüssel in der Hand.

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Wo das Geld herkommt: Technisch gesehen, vom BMBF. Aber Achtung: Richtige neue Forschungsinstitutionen finden ihren Weg in den Ministeriums-Etat meist nur über den Haushaltsausschuss. Oder sie werden gleich im Koalitionsvertrag festgeschrieben. In jedem Fall sollten Sie nicht beim Ministerium die Klinken putzen gehen, sondern beim Deutschen Bundestag.

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Wie man da rankommt: Bahnbrechende Forschung machen, in der Politik ein- und ausgehen und bei der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses auf dem Flur herumlungern. Mit Ihrem Konzept griffbereit in der Tasche.

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Was man dafür mitbringen muss: Einen Promi-Status als Wissenschaftler*in, eine Standleitung zu den Bundestagsfraktionen und eine ordentliche Portion Größenwahn.

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Vorteil: Ein Denkmal. Nur für Sie.

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Nachteil: Auf dem Weg dahin werden Sie sich unweigerlich Feinde machen. Das Geld muss ja irgendwo herkommen, d.h. die Mittel, die Sie für Ihr Haus bekommen, werden vermutlich jemand anderem weggenommen. Danach sind Sie zwar unsterblich, aber niemand mag Sie mehr.

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Willkommen im Olymp.

\n","tags":["Allgemein"],"language":"de"},{"id":"https://ulirockenbauch.blog/2022/09/06/mehr-einsicht-bitte/","uuid":"651d123c-e4de-4d3d-a9ca-19ce91aeca9d","url":"https://ulirockenbauch.blog/2022/09/06/mehr-einsicht-bitte/","title":"Mehr Einsicht, bitte","summary":"Wenn es um saubere Aktenführung geht, denken wir in der Verwaltung meistens an die Rechnungsprüfer. Oder an die graue Eminenz, den Rechnungshof. Oder an schmerzvolle Audits von Drittmittelgebern. Was aber...","date_published":"2022-09-06T05:05:35Z","date_modified":"2022-09-06T05:07:44Z","authors":[{"url":null,"name":"Uli Rockenbauch"}],"image":null,"content_html":"\n

Wenn es um saubere Aktenführung geht, denken wir in der Verwaltung meistens an die Rechnungsprüfer. Oder an die graue Eminenz, den Rechnungshof. Oder an schmerzvolle Audits von Drittmittelgebern. Was aber kaum beachtet wird, ist: Jede Normalbürgerin, jeder Normalbürger darf Einblick in unsere Akten erhalten.

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Gut, der letzte Satz hatte möglicherweise ein gewisses Potenzial, Panik zu stiften, daher hier gleich eine Relativierung:

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Als wissenschaftliche Institutionen müssen wir Einsicht in unsere Unterlagen gewähren, sofern wir unter ein Informationsfreiheitsgesetz fallen. Sofern es eine konkrete Anfrage mit berechtigtem öffentlichen Interesse gibt. Und unter Abwägung anderer wichtiger Dinge wie dem Schutz persönlicher Daten. Dann und nur dann müssen wir Einsicht in unsere Unterlagen geben.

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Hintergrund ist, dass der Staat keine Geheimnisse vor den Bürger*innen haben soll, die seine Organe wählen und ihn durch Steuern finanzieren. Das macht durchaus Sinn, aber das sogenannte Amtsgeheimnis wurde tatsächlich erst im Jahr 2006 abgeschafft. Seitdem gibt es das „Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes“. Es wird meist Informationsfreiheitsgesetz (IFG) genannt und legt – vereinfacht gesagt – fest, dass die öffentliche Verwaltung amtliche Informationen auf Nachfrage offenlegen muss. Jetzt kommt natürlich die Kernfrage für alle, die im Wissenschaftsmanagement arbeiten: Gilt das auch für uns? Müssen wir gläserne Akten führen??

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Die Antwort ist ein glasklares: „Jein“. Erstaunlicherweise geht durch die Wissenschaftslandschaft eine schwammige Zickzack-Grenze, welche Institutionen unter die Informationsfreiheit fallen und welche nicht. Das hat zwei Gründe:

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Und was heißt das nun in der Praxis? Gibt es überhaupt eine Praxis, mit echten Anfragen aus der Bevölkerung oder Presse? Ja, die gibt es.

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Das Portal FragDenStaat, über das laut eigenen Angaben mehr als die Hälfte der bundesweiten IFG-Anfragen läuft, listet aktuell unter dem Filter „Forschung“ insgesamt 2.754 Anfragen auf. Etwa die Hälfte davon war am Ende erfolgreich oder teilweise erfolgreich, d.h. die Fragenden bekamen tatsächlich die Information, die sie wollten. Jeder, den es interessiert, kann die Antworten dort nachlesen.

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Und welche großen Fragen bewegen nun die Nation? Was ist den Menschen so wichtig, dass sie sich die Zeit nehmen, um eine Anfrage an die öffentliche Verwaltung zu formulieren? Zusammenfassend kann man sagen: Sie interessieren sich für ein Sammelsurium an Themen – und eher für Kleinteiliges.

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Die einen fragen nach einer „tabellarische Übersicht der in den Mensen am Standort Stuttgart in den Kalenderwochen 27/2022 und 28/2022 eingesetzten tierischen Produkte“. Mit Angaben zu Lieferanten, Bio-Kennzeichnung und Herkunftsland.

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Andere fragen nach der „ECTS Einstufungstabelle der RWTH Aachen für den Studiengang Energietechnik M.Sc. der Jahre 2019-2022“. Es bleibt zu hoffen, dass hinter dieser Anfrage mehr steckt als nur der Versuch eines Studierenden, seine ECTS-Punkte aufzubessern.

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Trotzdem: Es wird auch immer wieder nach den großen und kontroversen Themen gefragt. Zum Beispiel nach aufgestellten Überwachungskameras an der Hochschule Bremen. Nach bewilligten Fördermitteln für die Nationale Forschungsdateninfrastruktur. Oder nach Kooperationen der WWU Münster mit chinesischen Universitäten. Auch wenn Demokratie nervig und teilweise kleinteilig sein kann, ist sie hier eindeutig am Werk, und zwar in Reinform.

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Interessant wird es außerdem dann, wenn Anfragen abgelehnt werden. Im Sektor Forschung sind das bisher über 300 Fälle (wobei man auch hier über einige bizarre Titel wie „Sport Altklausuren 2012-2018“ hinweglesen muss…).

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Manche Anfragen, beispielsweise die Einsicht in Personalakten, werden abgelehnt, weil sie Persönlichkeitsrechte verletzen würden. Manche Hochschulen verweisen auf das jeweilige Landes-IFG, das sie nicht zur Auskunft verpflichtet. Und was bemerkenswert ist: Die Außeruniversitären Forschungseinrichtungen (Fraunhofer, Max-Planck, Helmholtz und Leibniz) lehnen Anfragen grundsätzlich ab. Egal, ob es um Hochwasserrisiken, die Planung des CyberValley oder den Reaktor Wendelstein 7-X geht – die Antwort lautet immer sinngemäß: Dieses Gesetz ist auf uns nicht anwendbar. Durch ihre privatrechtliche Organisation fallen sie nicht unter §1 des IFG:

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Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.“

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Juristisch ist es sicherlich korrekt, dass die Wissenschaft an den AUFE keine öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgabe ist; in diese Frage will ich mich nicht einmischen. Aber in der Konsequenz heißt das: Der Steuerzahler finanziert Forschung in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrags und hat dennoch nur eingeschränkte Möglichkeiten, Einblick in Verwaltung und Management dieser Forschung zu nehmen.

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Ich wähle für dieses Problem aber ganz bewusst keine reißerische Formulierung. Das wäre auch nicht fair, denn als intransparent kann man die außeruniversitäre Wissenschaft keineswegs bezeichnen: Jede Institution veröffentlicht finanzielle Jahresberichte. Im Monitoring-Bericht zum Pakt für Forschung und Innovation kann man viele Statistiken und Einzelbeispiele aller Organisationen nachlesen. Die Pressestellen kümmern sich um journalistische Nachfragen. Und eine sehr aktive Wissenschaftskommunikation lässt kaum Wünsche offen, was die Vermittlung der Forschungsinhalte angeht. In Sachen Transparenz stehen die Außeruniversitären den Hochschulen in nichts nach.

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Worum es mir stattdessen geht, ist die Frage der Governance. Allein das Bewusstsein, dass die eigene Arbeit grundsätzlich nicht geheim ist, lässt Menschen anders agieren – sorgfältiger, fairer, weniger willkürlich. Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz haben auch einen anderen Charakter und dienen einem anderen demokratischen Zweck als journalistische Recherchen. Sie sind zwar teilweise wirr und naiv, aber fast immer im Kern legitim. (Ein bisschen ähneln sie den Kleinen Anfragen aus dem Bundestag, merke ich gerade – sie sind nur kürzer und unsauberer formuliert.) Diese Form der Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit ist sicher nervig und zeitraubend, aber sie hat in der Demokratie ihre Berechtigung.

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Respekt zollen möchte ich an dieser Stelle übrigens der DFG. Sie antwortet auf IFG-Anfragen zwar immer zunächst mit derselben Einleitung wie die Forschungsorganisationen („Das Gesetz ist auf uns nicht anwendbar“). Aber dann kommt in manchen Fällen ein bemerkenswerter Satz:

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„Hiervon unbenommen, antworten wir Ihnen gerne wie folgt…“

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Das Informationsfreiheitsgesetz verpflichtet die DFG zwar nicht dazu, aber erlaubt ist eine Antwort trotzdem! Diese Grundhaltung würde ich mir im gesamten öffentlichen Forschungssektor wünschen. Die seltsame Zickzack-Linie, was „amtliche Informationen“ sind und was nicht, wird sicherlich bestehen bleiben – aber aus Steuergeldern sind wir letztendlich alle finanziert. Glücklicherweise ist in Sachen Transparenz und Rechenschaft schon seit 2006 ein stetiger Kulturwandel im Gange, der sich hoffentlich weiter fortsetzt. Und auch die Kleinen Anfragen aus dem Bundestag haben uns schließlich nicht umgebracht.

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Zuletzt noch ein besonderes Beispiel, das zeigt, wie wichtig Anfragen aus der Bevölkerung sind. Ein gut informierter Bürger wandte sich im April 2022 an das BMBF, mit der Bitte um Nennung der Fördersumme…

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„… für die Abschätzung des Risikos ultrakalter Quantencomputer, die bekanntermaßen nicht binär arbeiten und zerstörerische ENTROPIE des Simulators / Kosmos / Universums / Weltalls global aktivieren können.“

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Und so ein gravierendes Problem darf ein Ministerium natürlich niemals ignorieren.

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Wenn ich im Beruf Konflikte erlebe, die zunächst irrational erscheinen, oder wenn Streitigkeiten auf der Sachebene nicht nachvollziehbar sind, dann stelle ich erstmal die Frage: Was steckt wirklich dahinter? Meistens bringt man dadurch sehr menschliche Ursachen und Beweggründe zutage.

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Ähnlich ging es mir, als ich die vielen wütenden Artikel und frustrierten Kommentare las, die nach den jüngsten Einsparungen des BMBF in der Projektförderung veröffentlicht wurden. Hier zum Beispiel, oder hier. Oder zuletzt hier.

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Das Wichtigste sei zuerst gesagt: Für die betroffenen Wissenschaftler*innen ist die Situation bitter. Sie hatten sich auf vorläufig zugesagte Gelder verlassen, die dann aber überraschend nicht bewilligt wurden. Sie hatten sich auf eine neue Stelle gefreut – zum Teil waren sie dafür sogar umgezogen -, und jetzt müssen sie in der Jobsuche von vorn beginnen. Das sind persönliche Rückschläge, die man nicht klein reden darf.

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Nur: So tragisch die Kürzungen des BMBF für die einzelnen Betroffenen auch sind, ich kann nicht nachvollziehen, weshalb sie so ein Politikum sein sollen. Denn der Grund dahinter lässt sich in fünf Worten zusammenfassen: Es ist weniger Geld da. Und alle wissen das.

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Ein Ministerium hat zwar einen großen Haushalt und kann Prioritäten setzen. Insofern kann natürlich jede Projektleitung die Frage stellen: Warum gerade ich? Warum ausgerechnet mein Vorhaben? Aber das ändert nichts an ein paar harten Rahmenbedingungen: Wir steuern auf eine Rezession zu, die Inflation liegt bei zehn Prozent, und für die Bundeswehr werden 100 Mrd. € als Sondervermögen abgezweigt. Für praktisch alle Ressorts steht daher (im Vergleich zum Jahresbeginn) plötzlich weniger Geld zur Verfügung. Ein Ministerium, das darauf nicht mit einer Reduktion seiner Ausgaben reagiert, macht irgendwas falsch.

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Nun lautet der häufigste Vorwurf ans BMBF freilich nicht: „Ihr habt es versäumt, Geld herbeizuzaubern.“ Sondern: „Ihr habt nicht transparent dargelegt, weshalb genau diese Projekte storniert oder gekürzt wurden.“ Das mag stimmen. Auch die etwas hölzern formulierten Schreiben, die solche Hiobsbotschaften verkünden, spenden natürlich keinen echten Trost. Aber hätte eine vertiefte Begründung denn irgendwem in der Sache geholfen?

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Denn selbst den Betroffenen ist eines bewusst: Ein aufwendiges wissenschaftsgeleitetes Verfahren hätte am Ende vielleicht die Auswahl der Projekte verändert, aber nicht das Gesamtergebnis. In ihren öffentlichen Stellungnahmen argumentierten die Forschenden, dass ihre Projekte gesellschaftlich wichtig seien, aber gleichzeitig ist ihnen vermutlich klar: Das gilt durchgehend für alle BMBF-Förderungen. Teils wurde die Praxis beklagt, dass neue Vorhaben kurz vor ihrem Start noch eine Finanzierungs-Absage erhielten, oder dass Projekten am Ende ihrer Laufzeit keine Verlängerung mehr gewährt wurde. Aber diese Entscheidung war in der Sache völlig richtig, denn die Alternative wäre gewesen, laufende Forschungsprojekte irgendwo auf halber Strecke abzusägen. Das will erst recht niemand.

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Also kommt jetzt der Punkt, um zu fragen: Was steckt wirklich dahinter? Woher kommt der Ärger, der sich gerade in der Wissenschaftslandschaft breitmacht?

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Darauf gibt es zweierlei Antworten. Zum einen entlädt sich hier ein lange aufgestauter Frust über die öffentliche Bürokratie. Die BMBF-Kürzungen sind zwar der Anlass für diese Entladung, aber im Kern geht es vor allem um die kleinteilige, bornierte, völlig weltfremde Art, wie Forschung finanziert wird. Diesen Frust spürt man deutlich, wenn man sich Zitate aus dem Gastbeitrag von Bögelein, Strohmaier und Zucco herausgreift:

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„Neben diesen organisatorischen und inhaltlichen Entscheidungen […] ergeben sich weitere strukturell gelagerte Probleme, die dringend adressiert werden müssen.“

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„…die Zuwendungsbescheide erreichten die Hochschulen und Forschungseinrichtungen sehr kurzfristig, in manchen Fällen sogar erst nach Beginn des vereinbarten Projektbeginns“

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„Wir fordern auch in BMBF-Förderlinien den Zugang zu den Kommentaren der Fachgutachten“

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„Damit wird die akademische Laufbahn (und die individuelle Lebensplanung) unberechenbar.“

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Hier vermischt sich praktisch alles, was die öffentlich finanzierte Wissenschaft unattraktiv macht: ein Mangel an Jobsicherheit, Erbsenzählerei und ein Gefühl des Ausgeliefertseins gegenüber den Behörden. Das alles nahm man zwar wohl oder übel in Kauf, solange man vom BMBF frisches Geld bekam. Aber jetzt bringen die Kürzungen das Fass zum Überlaufen.

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Es gibt außerdem noch einen zweiten, tiefer liegenden Grund, weshalb die aktuellen Kürzungen so viel Aufruhr verursachen: Wir haben nie gelernt, mit großer finanzieller Unsicherheit umzugehen.

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Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Eine wissenschaftliche Laufbahn ist natürlich schon lange durchzogen von persönlichen Ungewissheiten. Regelmäßig stehen unsere Leute vor Fragen wie: „Wird meine Stelle verlängert?“ oder: „Bekommt mein Projekt die Anschlussfinanzierung?“ Aber dass der Staat aufgrund von Turbulenzen etwas nicht mehr finanzieren kann, was bereits fest eingeplant war, das kennen wir eher aus Reportagen über chaotische Schwellenländer. In Deutschland? Undenkbar.

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Ein Beispiel, wie sehr wir uns an die Verlässlichkeit der Ministerien gewöhnt haben: Als ich vor zehn Jahren als Forschungsreferent an der FU Berlin anfing, lernte ich, dass BMBF-Anträge eine zweistufige Auswahl durchlaufen: eine wissenschaftliche Begutachtung und ein formales Bewilligungsverfahren. Letzteres war reine Formsache, d.h. wer es zum Vollantrag schaffte, hatte nichts mehr zu befürchten. In den Schreiben der Projektträger stand zwar irgendwas von: „… weisen wir darauf hin, dass die Zuwendung unter dem Vorbehalt der Mittelverfügbarkeit steht.“ Aber das erschien uns als Blabla und hatte keinerlei Relevanz; die Mittel waren einfach immer verfügbar. Dass wir solche Sätze auf einmal wörtlich nehmen müssen, erklärt auch den aktuellen Aufruhr um die BMBF-Budgetkürzungen.

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Die politische Zeitenwende hat jetzt also auch die Wissenschaft erreicht: Jahrzehntelang war frisches Geld das wichtigste forschungspolitische Gestaltungsinstrument der Politik; die Frage lautete immer: „Was bauen wir aus, und was nicht?“ Das ändert sich jetzt. Wenn die Prognosen stimmen, dann wird Bettina Stark-Watzinger die erste Ministerin seit langem sein, die hauptsächlich über die umgekehrte Entscheidung steuern muss: „Was führen wir fort, und was kürzen wir?“ Dieser Paradigmenwechsel verstört uns auch deshalb so, weil wir (zumindest in westdeutscher Perspektive) seit dem Zweiten Weltkrieg nur einen Zuwachs an Wohlstand kannten. Es gab natürlich unterschiedlich starke Wachstumsphasen – die meisten Helmholtz-Zentren wurden beispielsweise in den boomenden 1960ern aufgebaut -, aber ein Schrumpfen des Systems war undenkbar. Kennen Sie irgendeine Uni, die mal aus Geldmangel dicht gemacht wurde? Ich nicht.

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Als die Prognosen in den letzten Jahren düsterer wurden, fühlten wir uns vielleicht noch eine Weile sicher, weil der öffentliche Sektor vor Turbulenzen besser geschützt war als die freie Wirtschaft. Aber jetzt, wo die Klimakrise, die Pandemie, der Ukraine-Krieg und auch noch eine hohe Inflation zusammenkommen, wird uns gerade klar: Wir haben den vorläufigen Höhepunkt unseres gesellschaftlichen Wohlstands überschritten. Das ist in etwa so, als ob ein Achterbahnwagen, der stetig bergauf gezogen wurde, seinen höchsten Punkt erreicht und über die Kante kippt. Wir spüren jetzt eine deutliche Beschleunigung nach unten, und wir reagieren darauf auch genau so wie in der Achterbahn: mit lautem Schreien.

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Trotzdem darf in einem guten System kein Chaos ausbrechen. Wenn Unsicherheit tatsächlich das neue Normal ist, wird die wichtigste Aufgabe für das BMBF darin bestehen, zwei Bereiche zu unterscheiden: Einen Garantiebereich (dessen Finanzierung nicht in Frage steht) und einen „Je-nach-Möglichkeiten“-Bereich. Der Garantiebereich wird schon allein deshalb unverzichtbar sein, um Großprojekte wie den XFEL zu ermöglichen, die viele Jahre für den Aufbau brauchen. Solche gigantischen Baustellen wären zum Scheitern verurteilt, wenn ihnen jahresweise mal mehr, mal weniger, mal kein Geld zur Verfügung stünde. Also brauchen wir finanzielle Sicherheitskorridore, die auch bei heftigen Schwankungen des Ministeriumsbudgets nicht angetastet werden. Für alles, was außerhalb dieses Bereichs liegt, brauchen wir wiederum eine möglichst frühe Kommunikation, ob die jeweilige Finanzierung gesichert ist oder nicht: für Projektförderungen, für bundesfinanzierte Einrichtungen, für internationale Kooperationen. Dann weiß jeder, woran er ist.

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Zudem müssen wir dafür sorgen, dass die sozialen Konsequenzen dieser finanziellen Unsicherheit gut abgefedert werden – und hier meine ich ganz bewusst das ganze System Wissenschaft, weil neben den Behörden auch die Hochschulen und Forschungseinrichtungen einen Beitrag zur sozialen Absicherung leisten können. Sinnvoll könnte zum Beispiel die Einrichtung von Härtefall-Fonds sein, oder von Ausfallbürgschaften. Längere Vorlaufzeiten vor den Projekten wurden auch schon ins Spiel gebracht, so dass bei einem Ausfall der Gelder alle Beteiligten die Möglichkeit hätten, sich rechtzeitig neu zu orientieren. All dies sind Optionen, die jetzt getestet werden müssen.

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In jedem Fall sollten wir uns wohl angewöhnen, das Kleingedruckte in den Projektträger-Schreiben wieder ernst zu nehmen.

\n","tags":["Allgemein"],"language":"de"},{"id":"https://ulirockenbauch.blog/2022/08/22/luftschloss/","uuid":"6e4433d0-bb2d-462f-86d6-3a519b54a573","url":"https://ulirockenbauch.blog/2022/08/22/luftschloss/","title":"Der lange Weg zum Luftschloss","summary":"Im Mai war ich für das DZHK als Zaungast bei einem Tagesspiegel-Politikfrühstück zugeschaltet. Im Livestream wurde über Biotech und die Entwicklung neuer Therapien sinniert, natürlich auch über mangelndes...","date_published":"2022-08-22T12:16:18Z","date_modified":"2022-08-22T12:16:18Z","authors":[{"url":null,"name":"Uli Rockenbauch"}],"image":null,"content_html":"\n

Im Mai war ich für das DZHK als Zaungast bei einem Tagesspiegel-Politikfrühstück zugeschaltet. Im Livestream wurde über Biotech und die Entwicklung neuer Therapien sinniert, natürlich auch über mangelndes Risikokapital und überbordende Bürokratie. Überhaupt, so der Tenor, müsse es jetzt endlich mal einen Schub für mehr Innovationen in Deutschland geben.

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Und mittendrin machte einer der Redner plötzlich eine Bemerkung: Damit eine solche Initiative Erfolg haben könne, dürfe das Ganze nicht nach den klassischen Regeln der öffentlichen Verwaltung laufen. Man müsse von vornherein auf ein ganz anderes Modell setzen, das sich von der Logik der Ministerien und Projektträger klar verabschiede. Das Publikum schien nicht besonders schockiert über einen solchen Vorstoß, selbst BMBF-Abteilungsleiterin Veronika von Messling griff ihn in einem Nebensatz auf.

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Es scheint also fast, als ob das der neue Konsens im Wissenschaftssystem ist: Mit dem bisherigen Regelwerk ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Zu kleinteilig, zu realitätsfern, zu erbsenzählerisch. Egal, wie gut unsere Wissenschaftler*innen sind, sie haben sowieso keine Chance mehr, bahnbrechende Dinge hervorzubringen. Die Klagen über Bürokratie in der Forschung nehmen gefühlt zu: Erst im Frühjahr erhielten BMBF, DFG und DAAD einen offenen Brief, in dem die Hürden der Wissenschaftskooperation mit dem Globalen Süden kritisiert wurden. Die Initiatoren schrieben:

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Der bürokratische Aufwand ist mitunter unverhältnismäßig groß, rechtliche Vorgaben behindern Kooperationen in einer globalisierten Arbeitswelt […]. Viele staatlich finanzierte Förderprogramme lassen innovativen Ideen zu wenig Raum, und die Angst vor dem Bundesrechnungshof erstickt neue Initiativen oft schon im Keim […].

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Eine bitteres Urteil, aber berechtigt. Während in der Forschungspolitik regelmäßig über „mehr Geld für Thema XY“ geredet wird, sind die Beispiele für erfolgreichen Bürokratieabbau tatsächlich viel seltener. Am bekanntesten ist das Wissenschaftsfreiheitsgesetz, das 2012 in Kraft trat und den Außeruniversitären Forschungsorganisationen ein Paket mit punktuellen Erleichterungen gab: Einführung von Globalhaushalten, vereinfachte Unternehmensbeteiligung, In-house-Bauaufsicht. (In der Praxis bleibt der Nutzen des Gesetzes bis heute allerdings gering.) Manche Ideen wiederum werden durchaus diskutiert, schaffen es aber am Ende nicht in die Umsetzung, wie der Vorschlag des ehemaliges Heidelberger Rektors Peter Hommelhoff, für wissenschaftliche Kooperationen eine eigene Rechtsform zu schaffen.

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Es gibt also genügend Stimmen, die eine Befreiung der Forschung aus dem Regel-Wirrwarr fordern. Ein bürokratiefreies Luftschloss für die Wissenschaft! Nie wieder Begründungen schreiben oder „Das geht nicht“ hören müssen! Nur noch mutig voranschreiten, ohne Angst vor dem Rechnungshof. Aber, ganz praktisch gefragt: Was müsste man eigentlich ändern oder abschaffen, um diese Freiräume zu bekommen?

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Erster und naheliegendster Kandidat: Die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen. Es gibt sie für die klassische Projektförderungen (ANBest-P), aber auch für institutionelle Förderungen (ANBest-I). Allein der erste Satz – „Die Zuwendung ist wirtschaftlich und sparsam zu verwenden“ – zeigt, wie sehr die Vorstellungen der Haushälter und die Forschungspraxis auseinandergehen. Hinzu kommen kleinteilige Regelungen zu Mittelabrufen, Besserstellungsverbote und das berühmte Häkchen im Antrag, dass mit dem Vorhaben „noch nicht begonnen“ worden sei. Eine Sammelsurium des Unsinns.

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Jetzt die Kernfrage: Wer könnte, ganz konkret, die ANBest ändern?

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Geht man dieser Frage nach, stößt man auf eine erste Ursache für das starre Verwaltungsgerüst: Die ANBest sind keine Erfindung des BMBF, sondern sie gelten für alle Bundesministerien. Anders formuliert: Entweder müsste Einigkeit unter den Ministerien herrschen, die Regeln für alle Bundeszuwendungen zu lockern. Oder die Forschungsministerin müsste mit dem Kabinett aushandeln, dass die BMBF-Zuwendungen zukünftig nach einem schlankeren Regelwerk vergeben werden als die anderer Ministerien. Ein dickes Brett.

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Und bevor wir uns an den Zuwendungen festbeißen: Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Rahmenbedingungen, die Forschung und Entwicklung ausbremsen. Deren Änderung wäre sogar oft noch komplizierter:

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Im folgenden habe ich einmal einige prominente Beispiele zusammengetragen und jeweils bewertet, wie dick das Brett ist, das die Politik bohren müsste:

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Vergaberecht, vor allem das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die Vergabeverordnung (VgV)

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Ein Beispiel: Wer eine Software kaufen will, sollte bloß nicht mit IT-Anbietern ins offene Gespräch gehen. Man schreibt stattdessen eine 35-seitige Leistungsbeschreibung, kämpft sich durch die Tiefen der Vergabeportale und sucht sich aus elf verschiedenen EVB-IT-Vertragsmustern das hoffentlich richtige aus. Nebenher stellt man einen Juristen an, der einen rechtzeitig vor Verfahrensfehlern warnt. Dieser Irrsinn wird ab 215.000 € Auftragsvolumen noch einmal komplexer, weil hier die Schwelle für europäische Vergabe überschritten wird.

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Hierfür gäbe es zwei Lösungen: Entweder durch eine Vereinfachung der Verfahren, oder über eine deutliche Anhebung der Schwellenwerte. Die Grundlage ist zwar Bundesgesetzgebung, basiert aber auf europäischen Rahmenvorgaben und kriegt daher drei Bohrer.

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Datenschutz

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Seit es die DSGVO gibt, lässt sich gefühlt keine Excel-Tabelle mehr erstellen, ohne dass der Datenschutzbeauftragte sie vorher absegnen muss. Da es sich um eine Europäische Verordnung handelt, bräuchte es für eine Änderung einen EU-Konsens auf exekutiver Ebene – das ist extrem aufwendig und gibt drei Bohrer.

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Allerdings schießen die Datenschützer in Deutschland über das eigentliche Ziel hinaus. Der Schutz personenbezogener Daten hat zwar einen hohen Stellenwert, soll aber eigentlich gegen andere Aspekte (wie zum Beispiel Machbarkeit oder berechtigtes Interesse an der Datennutzung) abgewogen werden. In der Praxis ist bei uns stattdessen der Satz „Das geht aus Datenschutzgründen nicht“ sprichwörtlich geworden. Um das zu ändern, bräuchte es keine neue Verordnung, sondern einen weitreichenden Kulturwandel in der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft. Leider ist auch das ein sehr dickes Brett – drei Bohrer.

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Umsatzsteuerrecht

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Früher wurde die gegenseitige Nutzung von Infrastruktur (z.B. von Core Facilities oder Forschungsflugzeugen) als sog. Beistandsleistung betrachtet, die Kostenerstattung war einfach. Die Rechtsprechung der letzten zwanzig Jahre hat allerdings dazu geführt, dass die Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen immer stärker als Leistungsaustausch angesehen wird, d.h. als Forschungsaufträge oder wissenschaftliche Dienstleistung.

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Das wiederum bedeutet höhere Preise: Vollkosten und 19% Umsatzsteuer müssen eingeplant werden. Oft genug platzen gute Ideen daher aus Kostengründen. Hinzu kommt, dass diese „Leistung“ anderer Unis eingekauft werden muss wie ein Bürostuhl, und so landet man wieder bei der Vergabestelle (siehe oben).

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Letztes Jahr hat sich dieses Trauerspiel fortgesetzt: Auch gemeinsame Berufungen zwischen Unis und Außeruniversitären Forschungseinrichtungen sollen jetzt teilweise steuerpflichtig werden. Das BMBF kann diese behördlichen Einschätzungen zwar nicht einfach aufheben, könnte sich aber für Gesetzesänderungen stark machen, die wissenschaftliche Kooperationen explizit als aus der Steuerpflicht herausnehmen. Zwei Bohrer.

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Fazit

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Wir stoßen fast nur auf dicke Bretter. Ein Verwaltungs-Luftschloss zu bauen, frei von Bürokratie und mit maximalem Gestaltungsspielraum, wäre daher für jede*n Minister*in ein sehr unattraktives Vorhaben. Zeitraubend, unsexy, vermutlich zum Scheitern verurteilt.

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Punktuell gibt es zwar Ansätze, Freiräume zurückzugewinnen: Weil die Agentur für Sprunginnovationen (SprinD), eigentlich ein Hoffnungsträger der Wissenschaft, in denselben Regeln und Vorschriften festhängt wie alle anderen auch, will das BMBF bald dem Bundestag ein spezielles Freiheitsgesetz vorschlagen. Ein solches Gesetz wäre im Prinzip ein eigener Ausnahmekatalog nur für SprinD – leider aber nicht für den Rest der Forschungslandschaft. (Ein bisschen wie das Wissenschaftsfreiheits-Gesetz, nur noch exklusiver.) Hier entsteht also kein Luftschloss, sondern eher eine Sandburg.

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Gibt es also gar keine Hoffnung auf Veränderung? Doch – wenn der Wille da ist! Am Beispiel Beschaffung: Für den Sektor „Verteidigung und Sicherheit“ wurde der Vergabe-Schwellenwert doppelt so hoch angesetzt wie für den Sektor Forschung; die komplizierten europaweiten Verfahren beginnen dort erst bei 431.000 statt 215.000 €. Hier waren sich die EU-Staaten einig, dass man dem Militär eine administrative Erleichterung verschaffen wollte (übrigens schon vor Jahren, nicht erst seit dem Ukraine-Krieg). Wenn die Politik also irgendwo schnell vorankommen will, dann ist sie auch bereit, auf Bürokratie zu verzichten und den Rechtsrahmen entsprechend anzupassen.

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Eigentlich wäre auch genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um bei der Bundesregierung Druck für flächendeckend Gesetzesänderungen zu machen. Denn das liebste forschungspolitische Gestaltungsmittel der letzten Jahrzehnte war – frisches Geld. Das war in der Handhabung einfach und sah immer schick aus. Aber genau an Geld mangelt es jetzt, vermutlich für die gesamte Legislaturperiode. Wenn Bettina Stark-Watzinger also der Wissenschaft trotz Mittelkürzungen ein echtes Geschenk machen will, dann hat sie jetzt die Chance dazu. Vielleicht erscheinen die Bretter unter diesem Blickwinkel ja doch nicht mehr ganz so dick.

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Kennen Sie das auch? Sie lauschen der schönen Antrittsrede eines Hochschulpräsidenten, aber hinterher sind Sie trotzdem nicht schlauer, was genau er eigentlich plant. Oder: Sie fragen eine Staatssekretärin, welche Forschungsfelder zukünftig mehr Geld erhalten werden, und später streitet sie ab, sich auf irgendwas festgelegt zu haben. Wie machen die das nur?

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Ich verrate Ihnen was: Defensive Rhetorik ist eine uralte Kunst. Schöne Dinge zu sagen, für die Ihnen jeder im Raum Anerkennung zollt, auf die Sie hinterher aber niemand festnageln kann – das können nur wenige. Beherrschen Sie dieses sprachliche Kunststück ebenfalls?

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Dann wartet hier das ultimative Quiz auf Sie!

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Los geht’s!
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Im letzten halben Jahr gab es viel zu feiern: Der Bundesverband deutscher Stiftungen verlieh im Juni einen Sonderpreis an die russische Organisation MEMORIAL International, für ihr zivilgesellschaftliches Engagement in Osteuropa. Die Generali-Versicherungsgruppe wiederum verlieh im Juli zum zweiten Mal den SME EnterPRIZE an Unternehmen, die sich beim Thema Nachhaltigkeit hervorgetan hatten. Und der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft verlieh bereits im Mai gleich in mehreren Kategorien den „Impact of Diversity Award“, an Personen oder Organisationen, die sich besonders für gesellschaftliche Vielfalt engagiert hatten. Toll, oder? Trotzdem mache ich mich jetzt mal unbeliebt: Ich halte von solchen Aktionen gar nichts.

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Tatsächlich stehe ich den meisten Preisverleihungen sehr kritisch gegenüber, egal ob in der Wissenschaft oder in anderen Branchen. Vielleicht fragen Sie sich jetzt: Was spricht gegen feierliche Empfänge, bei denen vor Publikum die besonderen Leistungen von Menschen honoriert werden? Um das zu verstehen, machen wir folgendes Experiment:

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Können Sie sich erinnern, welche Stiftung Ende 2021 erstmals einen Preis für Qualität in der Forschung ausgelobt hat?

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Können Sie sich erinnern, wer den Preis bekommen hat?

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Genau das ist der Effekt, der immer wieder auftritt: Wer einen Preis verleiht, greift die Leistungen anderer Menschen auf und lenkt diese Aufmerksamkeit auf sich selbst. Die meisten Preise werden daher vor allem aus einem Grund vergeben: Sie bringen dem Stifter Publicity.

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Wenn man so argumentiert, handelt man sich erst einmal heftigen Widerspruch ein. Gegenargumente sind zum Beispiel: „Wir wollen mit diesem Preis ein Zeichen setzen“, „Wir wollen der Gesellschaft wichtige Impulse geben“ oder auch: „Wir wollen Menschen zu ähnlichen Leistungen ermutigen“.

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Das ist erst einmal eine gute und nachvollziehbare Absicht. Nur: wie viele Preise werden diesem Anspruch gerecht? Die Generali-Gruppe zeichnet nachhaltige Unternehmen aus, aber setzen sie damit im Jahr 2022 wirklich ein Zeichen? Oder ist das Zeichen längst gesetzt? Der Bundesverband deutscher Stiftungen zeichnet MEMORIAL aus – aber erst, nachdem die Organisation in Russland verboten wurde und bereits alle Welt über sie spricht. Das sind keine „Impulse“ für die Gesellschaft mehr, sondern nur das Aufspringen auf bestehende Trends. Dass der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft sich jetzt auch für Diversity einsetzt, ist zwar super – aber die Preisverleihung kommt (als Aktion) 30 Jahre zu spät.

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Es gibt aber noch einen weiteren Grund, weshalb ich Preise als Instrument grundsätzlich und aus der Sicht des Managements kritisiere: Wenn ich ein bestimmtes Ziel fördern will – in meinem Sektor also herausragende Forschung – dann erstelle ich zuerst ein gedankliches Modell, was Menschen brauchen, um dorthin zu kommen. Das kann zum Beispiel so aussehen:

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Auf dem langen Weg von der ursprünglichen Motivation zum schlussendlichen Erfolg gibt es immer wieder Engpässe, d.h. schwierige Übergänge, die den Prozess zum Scheitern bringen können. Diese Flaschenhälse können überwunden werden, indem man sie mit gezielten Maßnahmen angeht:

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Das ist sozusagen das harte Handwerk der Forschungsförderung. Das oben gezeigte Modell kann jedes Mal anders aussehen, manche Engpässe müssen erst im Detail verstanden werden, und jede Maßnahme muss sorgfältig ausgewählt werden. Ein mühsames Geschäft!

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Wenn man stattdessen einfach einen Preis an die erfolgreichen Projekte gibt, fällt all diese Arbeit weg. Man fördert nicht den langen Entstehungsprozess (mit Hirnschmalz, Geld und vielen Diskussionen), sondern erntet nur die wenigen Erfolgsbeispiele, die aus eigener Kraft zur Entfaltung gekommen sind:

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Das ist natürlich bequem. Aber wenn wir ernsthaft ein gesellschaftliches oder wissenschaftliches Feld voranbringen wollen, müssen wir uns mehr Mühe geben, als bestehende Erfolgsbeispiele zu suchen und auszuzeichnen.

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Sind Preise also allgemein überflüssig, außer als PR-Instrument?

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Nein, nicht ganz. Es gibt spezielle Fälle, in denen ihre gesellschaftliche Wirkung tatsächlich größer ist als die Publicity für den Preisstifter. Wenn man mich fragt, würde ich sagen: Es gibt fünf Kategorien von Preisen, die wirklich sinnvoll sind.

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  1. Der Preis stellt gegenüber dem Empfänger eine Entschuldigung dar, bzw. ein Eingeständnis, dass er in seiner Sache Recht hatte. Das setzt aber voraus, dass der Preisstifter der Person vorher Unrecht getan oder sie zumindest nicht ernst genommen hat. Ein Beispiel: Werner Forßmann, der den Herzkatheter entwickelte und dafür 30 Jahre später den Nobelpreis bekam.
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  3. Der Preis will provozieren und leistet einen kontroversen Beitrag zur öffentlichen Debatte. Er zeichnet ganz bewusst jemanden aus, der nicht schon von allen Seiten positiv wahrgenommen wird. (Die spannende Umkehrvariante dieses Ansatzes sind Negativpreise, z.B. das „Herz aus Stein“ der Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche.)
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  5. Der Preis wird für das Erreichen eines vorher definierten, sehr konkreten Ziels vergeben. Die kürzlich gestartete, US-britische „Prize Challenge for Privacy-Enhancing Technologies“ geht in diese Richtung.
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  7. Der Preis ist so hoch dotiert, dass er dem Empfänger etwas ermöglicht, was sonst unerreichbar wäre. Hierzu gehört sicherlich der Alfried-Krupp-Förderpreis, dotiert mit einer Million Euro. Oder auch – so viel Fairness muss sein – besagter Einstein Award for promoting quality in research, mit 500.000 Euro.
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  9. Der Preis honoriert einen Aspekt, der nachahmenswert ist, den aber bisher niemand auf dem Schirm hat. Das kann ein Lebensstil, ein Verhalten oder eine Denkrichtung sein – wichtig ist nur, dass der Ansatz noch nicht mehrheitsfähig ist.
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Letztendlich können Preise also durchaus ein gutes Gestaltungsinstrument sein – wenn man es richtig einsetzt: mutig, kontrovers. Und natürlich mit der Bereitschaft, auch kleinste Entwicklungen früh in den Blick zu nehmen, bevor sie zum Mainstream werden. Wie selten wir das tun, habe ich bei dem Versuch gemerkt, für die oben aufgeführte Liste konkrete Beispiele zu finden. Eine absichtlich kontroverse Auszeichnung (Kategorie 2) fiel mir auch nach längerer Recherche nicht ein, ebenso wenig die Ehrung eines zukunftsweisenden Verhaltens, das bisher noch kaum beachtet wird (Kategorie 5). Falls jemand aus der Community hierfür Beispiele hat, freue ich mich natürlich über Zuschriften oder Kommentare.

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Vielleicht sollten wir – als wissenschaftliche Community – dem Trend zum Preis-Wildwuchs entgegenwirken, indem wir noch einen weiteren Award ins Leben rufen: Eine Auszeichnung für Organisationen, die Preise nur mit Bedacht und möglichst uneigennützig verleihen. Das wäre doch mal ein echter Impuls.

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